12.April:
Mein Mann bringt mich auf den Flughafen von Ronchi, Trieste. Ich habe zwei grosse Koffer dabei, einen Rolli als Handgepäck und eine prallgefüllte Handtasche. Die erste Überraschung gab's, als beim Warten mein Name aufgerufen wurde, ich solle einen der Koffer zur Kontrolle öffnen. O.k., mache ich doch gerne; aber was sie dann finden, bringt mich fast zum lachen: ein abgepacktes Stück Polenta. Beim näheren Hinschauen weiss ich, was vermutet wurde, sieht es doch aus wie ein Drogenpaket.......man hat bei der Röntgenkontrolle das verräterische Päckchen gesehen. Gut, die Kontrolle funktioniert auf alle Fälle.
Der Flug nach Paris ist wunderschön, wir fliegen über „Zuckerwatte“. In Paris erwische ich dann den falschen Ausgang, werde aber von freundlichen Angestellten zum richtigen geschickt; hoppla, mein Französisch wird gebraucht......es geht ja. Ein Bus fährt uns zur Abflughalle. Dort kaufe ich mir ein Buch in der Hoffnung, mir dann die Wartezeit etwas zu verkürzen.
Auf dem Flug nach Nairobi ist das Flugzeug voll mit vielen Farbigen. Es hat Kleinkinder dabei und auch etliche alte Menschen. Nach acht Stunden Flug landen wir in Nairobi, es ist früher Morgen und noch dunkel. Meine Freunde erwarten mich, aber ich muss zuerst durch die Kontrolle und ein Visum besorgen. Ein freundlicher junger Schwarzer hilft mir dabei, füllt Formulare für mich aus und stellt mich an eine kurze Schlange fürs Visum. Er erklärt mir, dass er gerne etwas Geld dafür nehme, ich habe aber noch kein einheimisches Geld. So drücke ich ihm 5 Euro in die Hand. Er ist hell begeistert und grüßt mich mit einem breiten Lachen und wünscht mir alles Gute (alles auf englisch, wohlverstanden). Ueli, der Leiter des Waisenhauses das ich besuchen will hat mir später erklärt, dass er so fast ein Monatsgehalt bekommen habe!!!!!!!
Ueli und seine Lebensgefährtin Caro erwarten mich und wir suchen gemeinsam einen Flug nach Kisumu, unserem Zielpunkt. Es gibt Probleme, die aber nach einiger Zeit gelöst sind und wir fliegen über eine hügelige Landschaft. Der Flugplatz von Kisumu ist ein kleiner Ort, es hat wenig feste Gebäude, die Strassen sind nur teilweise asphaltiert und alles voller schwarzer Menschen......Der Fahrer des Waisenhausbusses wartet auf uns und die abenteuerliche Fahrt Richtung Kinderheim geht bald los, nachdem ich alle meine Gepäckstücke heil wiedergefunden habe. Die Strasse ist eine Löcherallee und ich bin froh, als wir endlich im Kinderheim ankommen. Caro macht ein Frühstück, Ueli zeigt mir mein Zimmer und die Anlage, und ich ruhe mich mal erst ein wenig aus, habe ich doch seit gestern früh 5 Uhr fast kein Auge zugetan......
Danach packe ich meine Koffer aus und räume meine Sachen in die Betonablagen. Die Mitbringsel gebe ich Ueli und Caro, die sie bestaunen und gerne annehmen. Die drei Hunde begrüssen mich und dann hat es noch eine Katze mit zwei Jungen, die aber eher scheu sind. Alle Kinder sind momentan beschäftigt, d. h. es sind nur drei Mädchen im Waisenhaus; die andern sind in den Ferien bei Verwandten. Ich lerne später mein Patenkind Esther kennen, dann noch Caros Tochter Cheryl und Emma, eine Vollwaise, die keine Verwandten hat, bei denen sie die Ferien verbringen kann. Albert der schwarze Koch bringt mir einen Riesenteller voll Reis mit Bohnen zum Mittagessen, was viel zu viel ist, aber gut schmeckt.
Es kommen Wolken und plötzlich regnet es heftig, alles wird völlig überschwemmt. Es ist halt Regenzeit und deshalb kommt es fast jeden Nachmittag oder auch Nachts zu solchen Regengüssen. Ueli fährt uns in die Stadt Kisumu. Die Strassen sind sowieso schon in einem prekären Zustand, jetzt auch noch voller Pfützen und die Autoscheiben beschlagen sich von der Luftfeuchtigkeit. Bin ich froh, muss ich nicht fahren, erst noch mit Linksverkehr! In einem Supermarkt kann ich ein paar Einkäufe machen, suche einen Sonnenhut und Regenstiefel, etwas Fruchtsäfte und Joghurt, alles ist für unsere Begriffe günstig.
Um 18.30 ist es schon dunkel, wir fahren nach Hause und Ueli kocht Spaghetti im Kerzenlicht, denn die Generatoren für den elektrischen Strom funktionieren nicht, was leider oft vorkommt. Zum Glück habe ich eine gute Taschenlampe und Batterien mitgebracht, sonst würde ich mein Zimmer später in der Dunkelheit gar nicht mehr finden; und das Moskitonetz entwirren so ohne Licht wäre auch nicht einfach. Obwohl ich sehr müde bin kann ich wegen der ungewohnten Geräusche kaum schlafen. Ich höre auch die beiden Nachtwächter draussen plaudern und am Morgen entdecke ich, dass einer der Hunde vor meinem Zimmer auf dem Plastikstuhl geschlafen hat. Uebrigens habe ich vor dem schlafen gehen einen Stuhl unter die Türfalle gestellt, weil ich von innen nicht abschliessen konnte.
Am nächsten Morgen höre ich die grossen Lastwagen unten auf der Hauptstrasse; sie donnern und poltern mit lautem Gehupe durch die Strassen. Nach 6 Uhr wird es langsam Tag; ich brauche den Rest des Mineralwassers von gestern zum Zähneputzen und kann dann bei Ueli die Toilette benützen, denn das Plumpsklo für die Mädchen fand ich für mich nicht geeignet; ich darf später auch bei ihm in der Wohnung duschen; übrigens hier eine ganz sparsame Art der Körperpflege: man braucht dazu nur etwa 2 Liter Wasser.........
Wir besprechen beim Morgenessen, wie man das Geld einsetzen kann, das ich mitgebracht habe. Ich will es baldmöglichst entweder ausgeben oder doch sicher versorgen, d.h. Ueli übergeben, denn mein „Zimmer“ scheint nicht unbedingt einbruchsicher zu sein, kann man doch durch die schräggestellten Fenster hindurchgreifen; das heisst auch Handy und Fotoapparat besser unsichtbar versorgen.....Wir beschlossen, die Sponsorengelder in eine Nähmaschine, neue Holzmöbel und andere dringend notwendige Sachen zu investieren, und gehen bald alles bestellen; so ist es sicherer. Für die benötigte Straßensanierung verspreche ich, später bei mir zuhause wenn möglich Geld aufzutreiben.
Beim Koch Albert kann ich warmes Wasser bestellen, und er bringt mir später auch eine Flasche mit abgekochtem Wasser für die Reinigung meiner Tasse, den Teller und mein Besteck. In 2 Becken wasche ich meine Kleider. Ich habe eine Leine mitgebracht, an der ich auf der Terrasse die sauberen (?) Kleider aufhängen kann. Von den Wäscheklammern verschwinden einige schon am nächsten Tag.
Phanice, eine schlanke hochgewachsene Eingeborene kommt mich fragen, ob sie mein Zimmer putzen soll, was ich (laut Ueli) nicht ablehnen darf; die Frau sei froh, für sich und ihre grosse Familie auf diese Weise etwas dazu verdienen zu können. Wir verstehen und prächtig; sie wischt mit einem kleinen Besen und nimmt dann auf den Knien mit einem nassen Lappen den hereingebrachten Schmutz vom Betonboden weg. Vom nassen Gelände bringt man über die kurze Terrasse allen Dreck in den Raum und ich gewöhne mir an, die Schuhe draussen zu lassen. Aber bald muss ich mindestens einen davon suchen, denn die Hunde spielen soooooo gern damit.
Wir fahren zu Esthers Grossmutter, die das Mädchen über die Schulferien betreut hat. Dort treffe ich endlich zum ersten Mal mein Patenkind, ein hochgewachsenes schlankes, scheues Mädchen, das mich ziemlich skeptisch betrachtet; sie weiss ja nicht, wie ich bin und was sie erwartet. Ich frage sie, ob sie mir die jungen Hunde zeigen möchte, die ich im Garten entdeckt habe; auf diese Weise taut sie mit der Zeit ein wenig auf. Wir unterhalten uns auf englisch, wobei wir öfters zu lachen beginnen, weil uns beiden die Worte nicht einfallen. Die Grossmutter offeriert uns Cola in Flaschen und abgepackte Trinkhalme; so ist es aus hygienischer Sicht ok, muss man doch in dieser Hinsicht auf der Hut sein. Esther darf am Abend ins Waisenhaus kommen und anderntags mit uns zu Bekannten fahren, die auch ein kleines Waisenhaus führen. Caros Tochter darf auch mitkommen, damit Esther nicht das einzige Kind unter uns Erwachsenen ist.
Abends gibst wieder Nachtessen bei Kerzenlicht. Die Generatoren funktionieren immer noch nicht und auch die Solaranlage streikt. Man leiht mir eine Petroleumlampe, damit ich in meinem Zimmer die Tasche für die morgige Reise packen kann.
Wir fahren etwa 4 Stunden über die wie üblich holprigen Strassen und treffen unterwegs sogar auf einen Fluss, der die Strasse überflutet hat; aber alles geht gut, und wir kommen endlich verschwitzt, müde und durstig bei Nancy und Eunice an, die einen kleinen Hotelbetrieb führen. Nancy arbeitet im nahegelegenen Spital und betreut mit ihrer Schwester zusammen einige Waisenkinder. Wir fühlen uns bei den freundlichen Leuten gut aufgehoben und ich darf auch im Spital einen Rundgang machen. Ich werde sogar gefragt, ob ich nicht dort arbeiten wolle?
Mein Zimmer dort ist sogar mit einer Dusche ausgerüstet, d.h. mit einem Wassertank mit Regenwasser, das abends angenehm warm ist; aber zum Zähneputzen brauche ich wieder Mineralwasser, das bereitsteht. Die dünne Matratze auf den Holzbrettern ist sehr unbequem; aber mit der zweiten Matratze vom Doppelbett geht es. Nachts sind wieder viele unbekannte Geräusche zu hören.
Der Sonnenaufgang am Viktoriasee ist spektakulär und wunderschön. Fischerboote sind auf dem Wasser und man erzählt mir, dass über Nacht Flusspferde auf dem Gelände unterwegs gewesen waren; daher kamen also die ungewohnten Geräusche. In den folgenden Nächten hörte ich Hyänen schreien und Frösche quaken, alles untermalt mit dem Zirpen einer Art Zikaden.
Wir lassen uns bedienen; es gibt gutes, einfaches Essen: Fisch direkt aus dem See, gebraten, dazu eine Art gekochten Körnerbrei und Gemüse. Die Mädchen plaudern, baden im See und freunden sich mit den dortigen Kindern an. Wir spazieren ins nahe Dorf und hören schon von weitem viele laute Stimmen und einen Menschenauflauf; das sei die Predigt, sagt man mir. Für mich tönt das jedoch eher wie Marktgeschrei. Es ist alles sehr ungewohnt für mich. Hier passiert es nun schon wieder, dass man mich anbettelt. Das mag ich gar nicht, muss aber die Leute auch verstehen, die ja nur versuchen, ein paar Geldstücke zu bekommen.
Unterwegs sehe ich , wo man die vielen Handys aufladen lassen kann, denn in den Hütten gibt es ja keinen Strom. Es gibt eine Art Baracke, die mit Gittern verschlossen ist. Da liegen haufenweise Handys, alle an Stecker angeschlossen; nach einiger Zeit holt man dann sein Handy aufgeladen wieder gegen eine kleine Gebühr ab. Auffällig viele Leute haben ein Handy und man telefoniert (wie mir scheint) andauernd und überall in den Strassen und Kaufhäusern.
Bald sind unsere „Kurzferien“ bei Nancy und Eunice vorbei. Ich verspreche den beiden Frauen, bei Gelegenheit auch ihnen etwas Geld zukommen zu lassen. Auf der Rückreise nach Kisumu kommen wir bei einem kleinen Handwerksbetrieb vorbei, wo aus Steinen schöne Figuren herausgearbeitet werden. Ich kaufe ein paar Souvenirs und eine Figur für Esther. Die Besitzerin des Ladens schenkt mir noch kleine Nashörner und eine liegende Katze.
Im Waisenhaus angekommen, sind wir alle müde aber glücklich, dass die Reise trotz allen Widrigkeiten gut verlaufen ist und Esther bedankt sich auch spontan bei mir für die schönen Tage und das kleine Geschenk.
Am nächsten Tag beim Morgenessen erzählt mir Ueli dann von den vielen Sorgen mit dem Heim und dem eigenen zukünftigen Zuhause. Er wird auf Ende Jahr die Leitung des Waisenhauses abgeben, und baut in Donga eine Gästewohnung, eine Bar und ein kleines Haus für sich und seine Familie. Das Waisenhaus soll dann von Poly, einem Einheimischen geführt werden. Er ist jung und unerfahren und muss erst noch Kurse absolvieren, den Umgang mit dem Pc lernen und sich später ohne Uelis Hilfe durchsetzten können; sicher keine einfache Aufgabe.
Ich gebe den 3 Mädchen Zeichenpapier und Farbstifte; sie sollen Bilder für das neue Haus malen, das momentan gebaut wird und bald die Blechbaracke mit den Schlafräumen ersetzen soll. Später spielen wir Volleyball; Poly hat das Netz zwischen zwei Pfählen gespannt und mir auch versprochen, den Basketballkorb wieder an einem vorhandenen Pfosten zu montieren. Emma hat sich barfuss 2 Stacheln im Fuß eingefangen und ich suche nach einer Pinzette, Pflaster und Desinfektionsmittel. Dabei finde ich eine relativ gut bestückte, aber völlig in Unordnung geratene „Apotheke“; eine neue Aufgabe für mich, da etwas System reinzubringen. Die Medikamente ordne ich und schreibe auf englisch auf, wozu die Sachen nützlich sind (mein Wörterbuch ist da eine kleine Hilfe). Dann suche ich Pflaster und Verbandstoffe aller Art zusammen und versorge das Material in grossen Plastikbehältern. Neben dem Gästezimmer ist ein Raum als Krankenstation eingerichtet, das heisst es hat da ein Bett und die ganzen Artikel, die von anderen Besuchern gesponsert worden sind. Wir reinigen das Zimmer und übergeben den Schlüssel der Hausmutter.
Ich organisiere noch ein paar Wolldecken und Tücher, denn ich habe geschwollene Beine und will mithilfe der Decken die Fuesse nachts hochlagern. Die Tücher sollen die Fenster etwas verdunkeln; wenn der Generator funktioniert, leuchten zwei helle Lampen direkt ins Zimmer und das brauche ich nicht unbedingt.
Ich versuche per SMS mit meiner Familie Kontakt aufzunehmen. Nach einigen mühsamen Versuchen erhalte ich dann endlich von meiner Tochter eine Antwort. Im TV hören wir abends, dass Kenia-Airlines nicht mehr nach Europa fliegen wegen einer Aschenwolke über Island.
Am nächsten Morgen erwache ich mit Bauchschmerzen und ich habe Durchfall. In diesem Zustand will ich heute nicht in die Stadt mitfahren, sondern hoffe mit Hilfe von Kamillentee, Kohletabletten und einer Immodiumtablette auf Besserung . Es geht auch nach einigen Stunden wieder gut und die Ruhe hat mir gut getan.
Die drei Mädchen kommen mich besuchen und wir machen eine Art Wortspiel: Gegensätze oder gleiche Begriffe suchen; wohlverstanden: alles meinerseits mit Hilfe des Wörterbuchs auf englisch! Sie bringen mir auch unter grossem Gelächter einige Wörter in ihrer Sprache bei. Dann wollen sie auch schweizerdeutsche Ausdrücke lernen; sie haben mich ja gehört, wenn ich z.B. die Hunde aus dem Zimmer schickte mit „uuse, Luusbuebe“ etc. Dann üben wir auch das obligate „Chuchichäschtli“ und andere für sie lustige Wörter wie „Gluggsi“ und „Xundheit“. Sie fragen mich dabei auch, ob sie mit meinen Haaren Zöpfli machen dürfen und probieren es auch gleich aus; aber bei den kurzen, feinen Haaren die ich habe geht’s überhaupt nicht gut. Ist vielleicht auch besser so; aber wir haben es lustig zusammen, und schon bald muss ich die Mädchen etwas bremsen, denn sie werden mir etwas zu aufdringlich. Sie verstehen es schnell und geben etwas Ruhe.
Am anderen Morgen habe ich an den Beinen und teilweise an den Fingern kleine Punkt, die aber weder jucken noch schmerzen; wer weiss, wo und was ich da erwischt habe. Nun, ich desinfiziere mal und beobachte es weiter....
Wir fahren in die Stadt und bestellen beim Schreiner die Tische und Hocker für die Zimmer und auch einige Leisten zum Bilderaufhängen. Ich brauche noch einen Spiegel, damit ich die Sonnencrème besser im Gesicht auftragen kann. Dann schauen wir uns nach eine Nähmaschine um; aber heute finden wir noch nichts passendes.
Während der ganzen Nacht war unten im Dorf Musik. Ich erkundige mich am Morgen, was das für ein Fest gewesen sei. Da liege ich aber weit daneben: Es ist jemand gestorben und man teilt so allen Leuten mit, dass am Wochenende die Beerdigung stattfinden wird. Der Sarg und die Trauernden werden auf einem Lastwagen in den Geburtsort des Verstorbenen gebracht, und hinter dem Lastwagen folgen andere Vehikel, Motorräder und Velos als Begleitung.
Heute mache ich mit den Mädchen Großreinigung, denn überall liegt Abfall herum. Wir haben Gummihandschuhe an und sammeln den Müll, den wir in einem Loch entsorgen. Eigentlich sollte er verbrannt werden, aber die freilaufenden Schweine und Hunde verschleppen das Zeugs immer wieder; schlimm.....und auch gefährlich, sind doch nebst Papier auch Scherben und Batterien etc. dabei.
Ich möchte noch Fotos machen zum Verschicken für die Sponsoren. Ueli hat einen speziellen Drucker, aber die Waisenkinder fehlen noch. Ich frage die Angestellten, ob sie ihre Kinder zum Fotografieren bringen können. Es braucht viel Geduld, aber schlussendlich haben wir etwa zwanzig herausgeputzte Kinder bereit, und ich mache ein paar Aufnahmen. Als Belohnung bekommen die Kleinen dann von meinen mitgebrachten Luftballons und einige Süßigkeiten; ihre Freude darüber ist gross! Briefumschläge und Briefmarken haben wir uns schon besorgt und schreiben nun die Adressen und einen kleinen Gruß auf die Karten und hoffen , dass die Post noch vor mir in Europa ankommt. Für Esther lasse ich frankierte Umschläge da, so kann sie mir schreiben, wenn sie mag.
Heute Sonntag ist großer Markt. Ich kann mit Caro hingehen und suche Stoffe für mich und die Kinder, dazu als Souvenir einen gebrauchten Vorhang für mein Wohnzimmer zuhause. Der ganze Marktplatz ist völlig verschlammt. Es hat ja wieder geregnet und alles überschwemmt. Nun rutschen wir im Matsch und müssen zudem noch aufpassen, dass wir nicht bestohlen werden. Ich habe sicherheitshalber meine Kamera und das Handy zuhause gelassen.
Am Nachmittag kommen auf dem nahen Hügel einige Affen zu Besuch. Die benachbarten Bauern wollen sie verjagen, denn sie machen auf den Feldern Schäden. Es gelingt mir, einige Bilder zu machen, aber sie werden leider unscharf. Ich wasche die gekauften Stoffe und die Schuhe und beobachte über dem See viele Vögel, die dort in Schwärmen ihre Kreise ziehen; es sollen Marabus sein.
Caro bestellt für mich bei einer Freundin mein Flugticket für die Heimreise und ich kaufe endlich die Nähmaschine und mache zuhause damit die ersten Versuche. Wir brauchen aber noch Zusatzmaterial wie Faden, Stecknadeln, etc. Auch die bestellten Möbel können heute mit dem VW-Bus abgeholt werden. Die Strassen sind wie üblich mit Lastwagen, Kleinbussen, Pkw, Mofas und Velos überfüllt, und dazwischen schlängeln sich noch Ziegen und Menschen durch; was für ein Durcheinander!
Esther kann die Nähmaschine auch bedienen, denn ihre Mutter hat es ihr vor Jahren beigebracht, bevor sie gestorben ist. Ich bin froh, dass Esther endlich auch über persönliche Dinge mit mir spricht. Sie will weiterhin die Schule besuchen und später Nurse werden, also Krankenschwester. Wir haben zusammen auch ein weißes Kleid für die Taufe und dazupassende Schuhe gekauft, wofür sie sich herzlich bedankt.
Ich kaufe für alle Angestellten Lebensmittel, Zucker, Seife, Fett und Reis und verteile diese nützlichen Dinge. Auf diese Art bedanke mich für die herzliche Gastfreundschaft und die lieben Aufmerksamkeiten.
Heute kommen die übrigen Waisenkinder wieder ins Heim, darunter auch Mary, die Kleinste unter ihnen. Sie hat eine schlimme eiternde Wunde auf dem Kopf und wir beschliessen, dass ich anderntags mit ins Spital fahre, wo Ärzte das Kind versorge können. Es stellt sich heraus, dass die Tante ihr mit einer Eisenstange über den Schädel gehauen hat. Das Kind leidet und ist völlig verstört. Am Morgen früh bringt uns Ueli ins Spital, wo sich nette Schwestern und Ärztinnen um das Mädchen kümmern. Es klammert sich an mir fest und weint leise. Die Wunde ist stark verschmutzt und muss gereinigt und verbunden werden, nachdem der Kopf kahlrasiert worden ist, damit das Pflaster auch wirklich hält. Eine Ärztin spricht mich wegen der verkrüppelten Hand an; ob man nicht baldmöglichst Geld sammeln könne für eine Operation. Ich verspreche mein möglichstes zu tun, damit die kleine tapfere Mary eine Chance bekommt, ihre Hand einigermassen normal brauchen zu können. Das Mädchen wurde übrigens seinerzeit vor dem Waisenhaus in einer Schachtel aufgefunden, mit einer Brandverletzung der ganzen Hand, die leider so schlecht zusammengewachsen ist, dass die Finger nicht mehr beweglich sind. Das Pflegepersonal will uns zum Verbandwechsel für den nächsten Tag bestellen, aber Ueli und ich erklären, dass wir sämtliches Material zur Hand hätten und das selbst machen zu können.
Tatsächlich sitzt Mary am nächsten Morgen bei mir auf der Terrasse und wartet geduldig, bis ich Zeit für sie habe. Sie weint zwar leise, hält aber schön still, so dass ich ihr einen neuen Verband anlegen kann. Sie malt dann noch ein paar Kritzeleien, und bald sind Angst und Strapazen vergessen. Das Schicksal von Mary geht mir nahe, und ich habe mir fest vorgenommen, dass ich zuhause schnell damit beginnen will, das Geld für ihre Operation aufzutreiben.
Am letzten Tag vor meiner Abreise gibt’s noch eine Aufregung, es sind kleine Schweinchen geboren worden, aber niemand hat es bemerkt. Ich höre das ungewohnte Piepsen und schaue nach. Oh Schreck, die kleinen Ferkel stecken voll im Schlamm. Mit Hilfe von Wasser und mit schütteln versuchen wir, ein paar leblose Körper zu reanimieren, kommen jedoch zu spät. Schade, aber immerhin neun Ferkel überleben, werden gewaschen und mit der Muttersau in einen trockenen Stall gebracht.
Am Morgen meiner Abreise kommen noch ein Paar Kronenkraniche auf den Hügel, fast wie wenn sie mich zum Abschied grüssen möchten. Sie bleiben gerade lange genug, dass ich ein paar Bilder machen kann und fliegen wieder davon.
Nun ist es Zeit abzufahren. Ueli und Caro bringen mich auf den Flugplatz. Wir trinken noch einen Kaffe zusammen und bedanken uns gegenseitig für die wertvolle, gemeinsam verbrachte Zeit. Ich habe wirklich viele liebe Menschen kennengelernt. Die beiden müssen bald wegfahren und ich warte in einer überfüllten Halle auf den Abflug. Eigentlich bin ich früh dran und hätte gerne noch einmal die Gegend von oben herab bestaunen wollen, aber daraus wird leider nichts; es geht wieder ein heftiges Gewitter los und mit fast zwei Stunden Verspätung fliegen wir Richtung Nairobi ab und es ist schon stockdunkel.
Auf dem Flugplatz in Nairobi muss ich wieder um Hilfe bitten. Ein Angestellter nimmt sich meiner an und begleitet mich zur Abflughalle und durch die Passkontrolle. Formulare müssen ausgefüllt werden und sogar die Fingerabdrücke werden genommen. „O.k., geht ja“ meine ich, aber am Schalter der Gesellschaft, bei der ich gebucht hatte sagt man mir, der Flug sei gestrichen wegen der Aschenwolke über Island, ich müsse im Hotel übernachten. Uii, da habe ich erst mal mit Schrecken daran gedacht, dass ich alle persönlichen Dinge wie Waschzeug und Zahnputzmittel im Waisenhaus zurückgelassen habe in der Hoffnung, sie könnten die Dinge gut gebrauchen. Nach vielem Suchen findet man dann schlussendlich einen Flug nach Amsterdam. Ich bin beruhigt. In Amsterdam ist zwar die lange Wartezeit von neun Stunden echt mühsam, denn ich bin nach einer durchwachten Nacht und den vielen Aufregungen hundemüde. Aber auch die langen Stunden vergehen irgendwie und ich fliege nach Venedig und bin wieder gesund und zufrieden zuhause angekommen.